Die Baldrianwurzel – bewährt, bekannt und dennoch voller ungelöster Rätsel
Zur Gattung der Baldriane (Valeriana) gehören bis zu 250 Arten. Davon werden viele in der Volksheilkunde genutzt. Eine besonders große Bedeutung erfährt dabei der Echte Baldrian (Valeriana officinalis), der daher auch Arznei-Baldrian genannt wird.
Baldrian mag eine feuchte Umgebung
Die Krautpflanze ist in weiten Teilen der gemäßigten Klimazonen Europas und Asiens anzutreffen. Hier hat es der Echte Baldrian gerne feucht, weswegen er besonders gut an Flussufern oder auf Uferwiesen gedeiht. Aber auch in nicht genutzten Feldern oder an Waldrändern fühlt er sich wohl, wenn es nur feucht genug ist. Darüber hinaus findet in vielen Teilen der Welt ein Anbau statt. Die mehrjährige Pflanze kann knapp zwei Meter hoch werden und bringt in den Monaten Mai, Juni und Juli ihre weißen, rosa oder hellrot schimmernden Blütenkronen hervor. In einem deutlichen Abstand darunter befinden sich jeweils etwa ein Dutzend gezähnte Fiederblättchen Paare an jedem Stiel. Die Blütenkronen und Blattspreite oder Blattstiele erinnern entfernt an Holunder. So gehört der Holunderblättriger Baldrian (Valeriana sambucifolia) zu den nächsten Verwandten des Echten Baldrians.
In der Heilkunde wird getrocknete Baldrian-Wurzel verwendet
Als Arzneidroge werden jedoch die unterirdischen Teile von Valeriana officinalis genutzt. Ihre Bezeichnung als Baldrian-Wurzel (Valerianae radix) ist allerdings nicht ganz korrekt. Hier werden nämlich nicht nur die Wurzeltriebe verwendet, sondern auch das nicht zum Wurzelsystem gehörende Rhizom, in dem das Krautgewächs knapp unter der Erdoberfläche einen Nährstoffvorrat speichert. Alle diese Teile werden getrocknet und komplett oder zerkleinert angeboten. Darüber hinaus werden aus Baldrian-Wurzel Trockenextrakte sowie Flüssigextrakte gewonnen. Während aus ersteren in der Regel Tabletten oder Kapseln entstehen, kommt bei der Flüssigextraktion zu Baldriantropfen oder Baldriantinktur (Valerianae tinctura) eine sehr große Menge an Ethanol-Alkohol hinzu.
Ätherische Öle und sekundäre Pflanzenstoffe – Inhaltsstoffe
Sehr auffällig an Baldrianwurzel ist der intensiver Geruch. Er stammt von Bornylesther und Isovaleriansäure, die neben der Valeriansäure den Großteil ihrer ätherischen Öle ausmacht. Außerdem sind Iridoide, Flavonoide, Alkaloide und weitere sekundäre Pflanzenstoffe als Inhaltsbestandteile erwähnenswert. Da auch das Rhizom zu Valerianae radix gezählt wird, ist im Herbst geerntete Baldrian-Wurzel besonders reich an Inhaltsstoffen, insbesondere an ätherischen Ölen.
Über Katzen und Hexen
Das zu den Alkaloiden zählende Actinidin hat eine strukturelle Verwandtschaft mit dem Lockstoff von Katzen, weswegen es auf viele Samtpfoten unwiderstehlich wirkt. Daher ist Baldrian auch unter dem Namen Katzenkraut bekannt. Zudem besagt eine Legende aus früheren Zeiten, dass der Isovaleriansäure-Geruch des Baldrians von Hexen und Dämonen verpönt wird, woraus die Bezeichnung Hexenkraut entstammt.
Was steckt hinter der Wirkung von Baldrian?
Etwa seit dem 19. Jahrhundert wird Baldrian-Wurzel als pflanzliches Beruhigungsmittel eingesetzt. Dabei werden entspannende, schlaffördernde Eigenschaften beobachtet. Außerdem wird positiv hervorgehoben, dass kein Gewöhnungseffekt eintritt und daher kein Abhängigkeitsrisiko angenommen. Allerdings ist die Wirksamkeit von Baldrian-Wurzel bei nervösen Erregungszuständen, nervösen Schlafstörungen und nervösem Herzklopfen keinesfalls nachgewiesen. Es sind lediglich Erfahrungswerte, die Effekte nahelegen. Eine einzelne Wirksubstanz konnte bisher nicht isoliert werden. Die Vermutungen gehen derzeit dahin, dass die Kombination der sehr komplexen Wirkstoffzusammensetzung der Baldrianwurzel verantwortlich für mögliche Wirkungen ist, wobei auch diese nicht belegt sind.
Baldriantee am besten auf Vorrat zubereiten – Zubereitung von Baldriantee
Die Verwendung der getrockneten Baldrian-Wurzel ist die wohl ursprünglichste Art der Nutzung. Aus ihr kann ein Tee hergestellt werden. Dazu gibt es verschiedene Herstellungsverfahren. Am einfachsten ist es, einen gehäuften Teelöffel Baldrian-Wurzel in eine Tasse zu geben, mit kochendem Wasser zu übergießen und 10 bis 15 Minuten abgedeckt ziehen zu lassen. Da der Baldrian seine Wirkstoffe aber durchaus nur recht widerwillig freigibt, ist diese Art Extraktion nicht sehr vollständig. Besser ist es, je Tasse etwa einen gehäuften Teelöffel Baldrian-Wurzel in kaltes Wasser zu geben, das Ganze zu erhitzen und etwa eine Stunde lang köcheln zu lassen. Daraufhin wird der Sud vom Feuer genommen und für mindestens zwei weitere Stunden abgedeckt stehen gelassen. Jetzt kann der Baldriantee durch ein Sieb abgegossen werden. Noch effektiver ist die sogenannte Kalt-Extraktion. Für sie verbleibt die Baldrian-Wurzel für 12 Stunden im kalten Wasser. Danach kann die Baldrian-Wurzel wieder über ein Sieb entfernt werden. Der in den beiden letzten Verfahren entstandene Baldrian-Wurzel-Tee kann im Kühlschrank einige Tage aufbewahrt werden. Die Herstellung eines kleinen Vorrates, der portionsweise aufgewärmt werden kann, lohnt sich also. Über den Tag verteilt können zwei bis drei Tassen eingenommen werden und unmittelbar vor der Nachtruhe eine weitere.
So entsteht ein wohltuendes Baldrian-Wurzel-Vollbad
Um ein angenehmes Vollbad vorzubereiten, sind 100 Gramm Baldrian-Wurzel erforderlich. Sie werden in einen Topf gegeben, mit etwa zwei Litern heißem Wasser übergossen und sollten rund zehn Minuten köcheln. Der Sud wird nun durch ein Sieb ins Badewasser gegeben. Eine Endtemperatur von höchstens 38 Grad Celsius sollte dabei aber eben so wenig überschritten werden wie eine Badedauer von einer viertel Stunde.
Baldrian als Gewürz
In der indischen Küche wird gemahlene Baldrian-Wurzel zumeist als Bestandteil von Gewürzmischungen auch gerne in Eintöpfen verwendet. Die so entstehenden bitter-aromatischen Akzente sind für westliche Zungen jedoch sehr ungewohnt. Weiter verbreitet ist hierzulande der Einsatz von Baldrianextrakten in der Lebensmittelindustrie. Sie werden für Eiscremes, alkoholische und nicht-alkoholische Getränke oder auch in Backwaren genutzt, da sie erstaunlicherweise den Eindruck eines Apfelgeschmacks entstehen lassen.