Löwenzahn als Kraut und als Wurzel

Löwenzahn [©Sunshine27/depositphotos.com]
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Der Gewöhnliche Löwenzahn (lat: Taraxacum sect. Ruderalia) ist auf der gesamten nördlichen Erdhalbkugel außer in den Polarregionen weit verbreitet. Die krautige Korbblütler-Pflanze mit einer Wuchshöhe zwischen zehn und 30 Zentimetern ist hier an den meisten Wegrändern, in Gärten und auf Wiesen zu finden. Ein vermehrtes Vorkommen der Wildpflanze auf landwirtschaftlich genutzten Flächen weist übrigens auf einen hohen Stickstoffgehalt der Böden hin.

Die kräftige Löwenzahn-Wurzel kann eine Länge von einem Meter und mehr erreichen. Hauptsächlich von März bis Mai – gelegentlich auch bis in den Herbst hinein – bringt die Pflanze hohle, michsafthaltige Blütenstandstiele hervor, die eine Höhe von gut einem halben Meter erreichen können. Abgesehen von einem leichten Filzbewuchs bleiben sie bis an die Spitze kahl. Dort bilden sich Hochblätter aus, die die Blütenstandknospe schützen. Im voll ausgeprägten Zustand zeigen sich die reichlich vorhandenen Zungenblüten in einem kräftigen Orange-Gelb. Nach einigen Tagen werden die farbintensiven Blütenhüllen abgestoßen. Es verbleiben die eigentlichen Früchte, die Pappus oder auch Federkrone genannt werden und an eine Ansammlung winziger Schirme erinnern, die sich schon bei einem leichten Luftzug in der Umgebung verteilen. Dank dieser Eigenschaft wird der Löwenzahn auch Pusteblume genannt.

Viele tausend Arten und ein Name

Eine botanische Besonderheit beim Gewöhnlichen Löwenzahn ist, dass hier die Bezeichnung einer einzelnen Art keinen Sinn macht. Aufgrund von fließenden, variablen und nur sehr schwierig unterscheidbaren Variationen kommen nämlich je nach Definition einige tausend Arten zusammen. Von zentraler Bedeutung sind dabei die sogenannten Ploidiestufen. Damit ist die Anzahl der in der Zellen vorhandenen Chromosomensätze gemeint. Beim Gewöhnlichen Löwenzahn können dies zwei (diploid) aber auch drei (triploid) oder vier (tetraploid) sein. Außerdem kommen Genommutationen (aneuploid) vor, bei denen weitere Chromosomen enthalten sind oder einzelne fehlen.

Diploider Löwenzahn ist zwar fruchtbar, aber nicht kompatibel mit anderen diploiden Pflanzen. Zusammen mit tetraploidem Löwenzahn entstehen in der Regel triploide Jungpflanzen. Diese pflanzen sich ebenso wie die meisten Aneuploide asexuell via Keimzellen-Verschmelzung fort und bilden dabei mit jeder Mutationsform quasi eine eigene Art. In der Vergangenheit wurden die Arten des Gewöhnlichen Löwenzahn als Sammelart Taraxacum officinale agg. beschrieben. Dies war jedoch immer noch zu eng gefasst, da es Überschneidungen mit anderen Sammelarten gibt. Daher spricht man jetzt von einer Sektion Ruderalia oder vom Taraxacum sect. Ruderalia, wobei zahlreiche Sammelarten berücksichtigt sind.

Die Ernte von Löwenzahn

Die Ernte von Löwenzahn konzentriert sich im Falle der Blüten freilich auf die Hauptblütezeit im Frühjahr. Die anderen oberirdischen Pflanzenteile sind bis zum Herbst verfügbar. Die Löwenzahnwurzeln (Taraxaci radix) hingegen sollten erst im Herbst geerntet werden. Dann ziehen sich die Blätter allmählich zurück und die Wirkstoffkonzentration insbesondere an Inulin ist in den Wurzeln am höchsten.

Eine Geschichte voller Magie

Historisch ist der Löwenzahn nicht zuletzt auch von einer geheimnisvollen Aura umgeben. So geht seine Bedeutung als Orakel oder Kraut mit magischer Kraft ins Reich des mystisch Verborgenen. In Nordamerika beispielsweise rauchten die Ureinwohner nicht nur getrocknete Tabakblätter zu kultischen Zwecken sondern nach Norden hin zunehmend auch die des Löwenzahns. In europäischen Gefilden wurde ein Verreiben der Pflanze auf der Haut mit der Erfüllung von Wünschen in Verbindung gebracht. Außerdem war sie in der Nacht vor Allerheiligen am All Hallows’ Eve, woraus das Wort “Halloween” entstand, Bestandteil druidischer Beschwörungsrituale. Ganz naheliegend auch ist, dass dem Löwenzahn als Pusteblume eine weissagende Kraft zugeschrieben wurde. Beispielsweise gilt hier die nach einmaligem Pusten übrig gebliebene Anzahl an Schirmchen als Hinweis auf verbleibenden Lebensjahre.

Das steckt im Löwenzahn: Inhaltsstoffe

Nichts mit Magie zu tun haben hingegen die Inhaltsstoffe, die den Löwenzahn ausmachen und zum wirkungsvollen Heilkraut werden lassen. Im Überblick sind dies:

Löwenzahnwurzel [©tyvolejauznevim.seznam.cz/depositphotos.com]
Löwenzahnwurzel [©tyvolejauznevim.seznam.cz/depositphotos.com]
Die meisten dieser Stoffe sind in allen Pflanzenteilen vorhanden, wenngleich sie in der fleischigen Löwenzahnwurzel dank ihrer Speicherfunktion eine höhere Konzentration erreichen können. Besonders interessant sind hier die Löwenzahn-Bitterstoffe, die bei anderen Pflanzen kaum vorkommen. Dazu gehören vor allem einige sogenannte Sesquiterpenlactone. Das sind Derivate von bestimmten Terpenen, den Sesquiterpenen. Diese sekundären Pflanzenstoffe dienen zur Abwehr gegen Pilze und Bakterien aber auch gegen andere Schädlinge wie Würmer und halten selbst manche Säugetiere fern. Über 4.000 Sesquiterpenlactone sind bekannt. Im Löwenzahn kommen sie hauptsächlich als Tetrahydroiridentin B vom Eudesmanolidtyp und als zum Germacranolidtyp gehörendes Ainsliosid vor.

Aus zwei Sesquiterpen-Einheiten entstehen Squalen. Das sind ungesättigte Verbindungen, aus denen Triterpene hervorgehen. Insbesondere im Milchsaft vom Löwenzahn ist hier gemeinsam mit dem Bitterstoff Taraxacin das Triterpen Taraxasterol vorhanden. Weitere Löwenzahn-Wirkstoffe sind Sterole wie Sitosterol aber auch verschiedene Cumarine und Flavonoide. Dazu kommen Cholin, Vitamine und Mineralstoffe, inklusive eines sehr hohen Gehalts an Kalium. Die Schleimstoffe und das Inulin konzentrieren wesentlich auf die Löwenzahnwurzel. Inulin ist ein Mehrfachzucker, der für den Menschen unverdaulich ist, aber sehr gerne von bestimmten Darmbakterien wie Bifidobacterium breve angenommen wird. Es gibt der Wurzel neben ebenfalls enthaltenen anderen Einfach- und Mehrfachzuckern zum bitteren einen süßlichen Geschmack, während das Kraut deutlich bitterer ist.

Löwenzahn in der traditionellen Volksheilkunde

In der Volksheilkunde hat Löwenzahn traditionell einen hervorragenden Ruf als Diuretikum oder harntreibendes Mittel. Davon zeugen unter anderem so deftige mundartliche Bezeichnungen für den Löwenzahn wie “Bettschisser” oder “Pissblume”. Daneben zählt Löwenzahn zu den Hausmitteln bei Rheuma sowie insbesondere der Milchsaft zur Behandlung von Warzen. Auch zur Blutreinigung, Entgiftung, der Unterstützung beim Fasten sowie zur Linderung von Leber- und Gallenleiden wurde er genutzt. Nur gehört der Löwenzahn nicht zu den populären Heilkräutern der Antike und des Mittelalters. In frühen Dokumenten ist er entweder gar nicht genannt oder bis heute nicht identifiziert.

Die erste bekannte eindeutige Erwähnung findet im 11. Jahrhundert bei Ibn Sina, dem großen persischen Mediziner und Universalgelehrten, der im Westen unter dem Namen Avicenna bekannt ist, statt. Bis der Löwenzahn auch in der europäischen medizinischen Literatur Beachtung fand, dauerte es aber noch bis zum 16. Jahrhundert, in dem unter anderem Hieronymus Bock und der Medizin- und Botanikprofessor Tabernaemontanus ihre Abhandlungen schrieben.

Löwenzahn: die Verdauungs-Heilpflanze

Ausgehend von der Volksmedizin hat der Löwenzahn seinen Weg auch in die moderne Heilkunde gefunden. Viele der traditionellen Anwendungen werden dabei in der Praxis bestätigt. Allerdings ist die Forschungslage zu den Wirkmechanismen der Löwenzahn-Inhaltsstoffe auch weiterhin unzureichend. Die gut dokumentierten verdauungsfördernden und appetitanregenden Effekte sowie seine sanfte Wirkung bei Blähungen und Völlegefühl sind wohl wesentlich auf die Bitterstoffe zurückzuführen. Sie sind mit großer Wahrscheinlichkeit auch Grund für die Verbesserung des Gallenflusses und gemeinsam mit dem hohen Kaliumgehalt für die harntreibenden Eigenschaften.

Löwenzahn-Lebenszyklus [©mariaflaya/depositphotos.com]
Löwenzahn-Lebenszyklus [©mariaflaya/depositphotos.com]

Stockende Forschung zu Löwenzahn

Übrigens gibt es eine ganze Reihe an weiteren möglichen Wirkungen von Löwenzahn. Seit etwa 2010 fällt der Forschung hier in Studien zunehmend auf, dass Löwenzahnwurzel-Extrakte die Apoptose verschiedener Krebszellen insbesondere bei Melanomen (1), Dickdarmkrebs (2) und bei Prostata-Tumoren (3) fördern kann. Als Apoptose wird ein biologisches Programm bezeichnet, das quasi zum Suizid der betroffenen Zellen führt. Einer weitergehenden Forschung möglicherweise bis zur Entwicklung und Zulassung als Arzneimittel stehen allerdings ein sehr hoher Aufwand und erhebliche Kosten entgegen. Als Naturstoff ist Löwenzahn dabei nur eingeschränkt patentfähig. Pharmakonzerne scheuen sich daher vor den erforderlichen Investitionen, da am Ende zwar ein wirksames Medikament stehen könnte allerdings kein effektiver Produktschutz, womit Verluste vorprogrammiert wären.

Löwenzahn für Tiere

Löwenzahnwurzel und -kraut haben sich übrigens auch bei Haustieren zur Behandlung von Verdauungs- und Gallenbeschwerden bewährt. Kleine Nager wie Hamster, Meerschweinchen oder Kaninchen bekommen Tagesdosen von einigen Milligramm, Katzen und Hunde wenige Gramm und bei Pferden kann die Portion nach tierärztlicher Anweisung bei bis zu 25 Gramm liegen.

Risiken und wann Löwenzahn nicht eingenommen werden darf

Nicht verwendet werden sollte Löwenzahn unter anderem bei:

Bei chronischen Lebererkrankungen wie Fettleber oder Leberzirrhose sollte die Einnahme mit einem Arzt abgesprochen werden. Zudem wird schwangeren und stillenden Frauen von einer Verwendung abgeraten.

Ein Verzehr größerer Mengen Löwenzahnstängel kann zu Übelkeit und Erbrechen führen. Außerdem reagieren einige Menschen empfindlich bis allergisch auf den Löwenzahn-Milchsaft, was beispielsweise zu Kontaktdermatitis führen kann. Die enthaltenen Bitterstoffe können in einigen Fällen eine Übersäuerung des Magens zur Folge haben. Die harntreibenden Eigenschaften gehören hingegen zu den typischen Effekten des Löwenzahns, weswegen er aber am Abend nicht zugeführt werden sollte.

Löwenzahn als Tee und mehr: Rezepte / Anwendung

Klassischerweise werden Löwenzahnwurzel und -kraut als Tee gereicht. Wird das getrocknete Kraut genutzt, sollte ein Esslöffel pro Tasse verwendet werden. Für einen Löwenzahnwurzel-Tee reicht ein Teelöffel des Wurzel-Pulvers je Tasse. Dazu kommt kaltes Wasser, das nun mit dem Löwenzahn aufgekocht und vom Feuer genommen wird. Nach einer Ziehzeit von zehn Minuten kann der Tee abgeseiht und genossen werden. Drei bis vier Tassen können es pro Tag sein. Alternativ ist aber auch eine schonende kalte Extraktion möglich. Dazu wird das Löwenzahnwurzel-Pulver im kalten Wasser über Nacht belassen. Am nächsten Tag kann der abgeseihte Tee nach Wunsch leicht erwärmt werden.

Frische Löwenzahnwurzeln können übrigens auch zu einem Kaffee-Ersatz verarbeitet werden. Zu diesem Zweck werden sie klein geschnitten und getrocknet sowie im Backofen geröstet. Die Stückchen werden gemahlen, mit Wasser aufgekocht und sofort über einem Sieb abgeschüttet.

Darüber hinaus kann Löwenzahnwurzel-Pulver als würzende Beigabe zu zahlreichen Speisen verwendet werden. Salaten und Suppen aber auch Gemüsegerichten gibt es – vorsichtig dosiert – angenehm bittere Akzente. Selbstverständlich ist hier auch eine Aufwertung von Getränken möglich, angefangen bei eher herben Limonaden wie Bitter Lemon, Ginger Ale oder Tonic Water bis zum fruchtigen Smoothie.


Quellen:

  1. Chatterjee, S. J., et al., The Efficacy of Dandelion Root Extract in Inducing Apoptosis in Drug-Resistant Human Melanoma Cells, Evid Based Complement Alternat Med., veröffentlicht online 2010.
  2. Ovadje, P., et al., Dandelion root extract affects colorectal cancer proliferation and survival through the activation of multiple death signalling pathways, Oncotarget. 2016 Nov 8; 7(45), S. 73080 – 73100.
  3. Schmidt, D., University of Windsor lab launches prostate cancer research, Windsor Star, veröffentlicht online 13.07.2017.

Linktipps:

Eintrag in der Wikipedia

Viele Rezepte für die Küche

Eintrag im Heilkräuterlexikon

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